“Think global – act local” – dieses Zitat hört man gerade im Umfeld des World Wide Web und des Internet häufig. Das Zitat geht gemäss Wikipedia zurück auf den Schottischen Biologen und Stadtplaner Patrick Geddes, der dies 1915 zwar nicht wörtlich, aber sinngemäss so in seinem Buch “Cities in Evolution” formuliert hat.
Und mit Stadtplanung im weitesten Sinne beschäftigt sich auch das Werk “Freie Netze. Freies Wissen.“, dem wir uns in diesem Beitrag widmen wollen. Mit Aufkommen des World Wide Web Anfang der neunziger Jahre wurde allenthalben die Auflösung und Bedeutungslosigkeit des Raumes beschworen. Tatsächlich lässt das Netz die Welt näher zusammen rücken, “die Welt ist ein Dorf” hört man oft in diesem Zusammenhang, aber Lokalität hat sicher nicht ihre Bedeutung in der globalisierten Welt verloren, im Gegenteil, und Lokalität ist auch kein Widerspruch zur Globalisierung.
“Freie Netze. Freies Wissen.” ist ein Sammelband, der sich einerseits mit den globalen Entwicklungen der Informationsgesellschaft beschäftigt – think global. Gleichzeitig werden in dem Werk aber ganz konkrete Projekte und Projektideen für die lokale Umsetzung globaler Konzepte vorgestellt und besprochen – act local. Der Sammelband wird herausgegeben von Leonhard Dobusch und Christian Forsterleitner und ist 2007 erschienen; entstanden ist er Band als Beitrag für das Europäische Kulturhauptstadtjahr Linz 2009.
Die Zielsetzungen des Projektes “Freie Netze. Freies Wissen.” werden folgendermassen beschrieben:
“1. Speaking to the (not yet) converted:Hauptziel von “Freie Netze. Freies Wissen.” war und ist es, Menschen zu erreichen, die mit den Hintergründen von freiem Wissen, freier Software, freien Lizenzen und freien Inhalten noch nicht völlig vertraut sind. Deshalb die einführenden Texte in den neun Kapiteln, deshalb der Versuch einfach und verständlich zu formulieren, deshalb das umfassende Glossar. 2. Abstrakten Themen Gesichter geben:
Vieles rund um freie Netze und freies Wissen ist wenig anschaulich, Projekte wie Wikipedia sind so hilfreich wie anonym. In Interviews mit Menschen wie Lawrence Lessig (Kapitel 2 ) oder Volker Grassmuck (Kapitel 9 ) wollten wir den zahlreichen Initiativen und Themen Gesichter geben, Menschen hinter den Projekten zu Wort kommen lassen. 3. Konkrete und kommunale Vorschläge machen:
Die Projektvorschlage am Ende jeden Kapitels sollten zeigen, dass trotz des globalen Charakters der Themen lokales Handeln möglich und gefragt ist. Außerdem wollten wir damit auch ein Umdenken und Handeln in unserer Heimatstadt Linz anregen.” [www.freienetze.at]
Von siebzehn Autorinnen und Autoren werden die verschiedenen Anwendungsbereiche von Freien Netzen und Freiem Wissen dargestellt. In jedem der neun Kapitel kommen in Interviews Menschen zu Wort, die mit dem Thema als Experten, Pioniere oder unmittelbar Betroffene zu tun hatten oder haben. Am Ende jedes Kapitels finden sich konkrete Projektvorschläge zur Umsetzung auf lokaler Ebene. Das Buch mit insgesamt 338 Seiten ist mit einer Creative Commons Lizenz Online kostenlos als PDF verfügbar (auch kapitelweise) oder im Buchhandel als gedrucktes Werk zu erwerben. Als Teil eines Gesamtprojekts ist der Sammelband in eine Website www.freienetze.at eingebunden. Hier erfährt man etwas über den Fortschritt bei der Umsetzung der beschriebenen Projekte sowie weitere, aktuelle Informationen zu den Themen des Buches.
Die Anwendungsbereiche umfassen unter anderem Fragen freier Funknetze, dem Urheberrecht und Open Access, der offenen Lehre, der freien Software oder der Kunst im digitalen Zeitalter. Unabhängig von den konkrrten Umsetzungsvorschlägen diskutieren die jeweiligen Fachartikel weitgehend sachlich und unvoreingenommen die einzelnnen Themen. Bei so kontrovers diskutierten Themen wie dem Urheberrecht, Open Access oder auch Open Source ist dies heute (leider) eine Seltenheit. In den Interviews werden dann durchaus eindeutige Standpunkte von den Gesprächspartnern vertreten. In den diversen Projektvorschlägen, von denen einige bereits umgesetzt sind, werden die globalen Themen in einem ganz konkreten, lokalen Kontext eingebettet. Und auch wenn hier die Stadt Linz im Vordrgrunf steht, so lassen sich die allermeisten Projektideen auch in anderen räumlichen Umgebungen – ggf. mit entsprechenden lokalen Anpassungen – umsetzen.
Damit ist das Werk eine echte Bereicherung auf dem Weg in die Informationsgesellschaft: Es wird aufgezeigt, wie die auch an vielen anderen Stellen mehr oder weniger sachlich diskutierten, globalen Themen in einem kommunnalen, lokalen Umfeld konkret umgesetzt werden können und somit jeder einzelnen Bürger an der Informationsgesellschaft partizipieren kann. Auf politische Sonntagsreden können so jetzt auch Taten folgen!
“Besonders stolz sind wir über die Einführung des Public Space Servers im letzten Herbst in Linz. Das Studium der Webwissenschaften, so versicherten mir Professoren wie Studierende, wird es mit etwas Glück schon im Studienjahr 2010/2011 als interdisziplinäres Masterstudium geben. Und in den nächsten Monaten kommt eine Studie/Potentialanalyse zu Linz als Open Source Region heraus.” (Christian Forsterleitner, 8. Feb. 2010)”
Das Werk “Freie Netze. Freies Wissen.” wird im Oktober 2010 im Rahmen einer Tagung in Karlsruhe mit dem Hauptpreis für humane Nutzung der Informationstechnologie (Wolfgang-Heilmann-Preis) der Integrata-Stiftung ausgezeichnet.
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