Bewertung von Geschäftsmodellen für regionale Medienhäuser in der Schweiz unter besonderer Berücksichtigung des Bürgerjournalismus
Projektmotivation und -idee
Die Medienhäuser und hier insbesondere die Zeitungen sind weltweit massiv unter Druck. Einerseits werden die Grundlagen des Geschäftsmodells durch die Digitalisierung massiv bedroht (vgl. z.B. newspaperdeathwatch.com), andererseits tut die aktuelle Wirtschaftskrise ihr übriges: Beispielsweise wandern Kleinanzeigen längst ins Web ab, das übrige Anzeigenvolumen ist in der Krise stark geschrumpft. Dazu kommt ein Wandel des Medienkonsums, klassische (Qualitäts-) Zeitungen werden tendenziell weniger gelesen, insbesondere bei Jüngeren. Dabei stehen die Medienhäuser im Spannungsfeld zwischen ökonomischer Effizienz und gesellschaftspolitischer Rolle:
Medienhäuser sind einerseits Unternehmen, die betriebswirtschaftliche geführt werden müssen. Andererseits haben deren Produkte, die Medien, aber auch eine Rolle in einer demokratischen Gesellschaft wie der Schweiz, sie werden oft als die „vierte Macht im Staat“ und als notwendig für den gesellschaftlichen Meinungsbildungsprozess bezeichnet. Deswegen wird die Medienvielfalt gerne als gesellschaftspolitisches Ziel definiert. Dies zeigt z.B. die aktuelle Diskussion in der Ost- und Südostschweiz bzgl. der Konzessionsvergabe für regionale Radio- bzw. Fernsehstationen mit direkten Auswirklungen auf den Markt der Zeitungen (vgl. z.B. NZZ vom 10.1.2010.
Aufgrund der ökonomischen Rahmenbedingungen müssen (Tages-) Zeitungen heute Einsparungen vornehmen, was häufig Personalabbau bedeutet, der immer mehr auch die Redaktionen und Korrespondenten betrifft. Dies hat zur Folge, dass Redaktionen immer weniger in der Lage sind, eigene Recherchen durchführen bzw. Meldungen aus anderen Quellen wie Nachrichtenagenturen, freien Autoren und Journalisten, aber auch Weblogs und Twitter, zu validieren. Damit können Zeitungen dem Anspruch an den Qualitätsjournalismus immer weniger gerecht werden, das Produkt Zeitung verliert (möglicherweise) an Qualität, ein Teufelskreis beginnt. Zur ökonomischen Stützung von Zeitungen werden aus den genannten gesellschaftspolitischen Überlegungen deswegen auch immer wieder staatliche Interventionen gefordert.
Ein Ausweg wird in der Einbindung der Leser selbst als sog. Bürgerjournalisten in die Produktion von Zeitungen gesehen. Da Reporter, Fotografen und Journalisten der Zeitungen zunehmend weniger alle Themenbereiche inhaltlich abdecken können und immer weniger Reporter und Korrespondenten vor Ort recherchieren, werden Bürger als Bürgerjournalisten eingebunden.
Die Idee des Bürgerjournalismus spiegelt somit aktuelle Entwicklungen im Kontext des Web 2.0 wider, die unter den Begriffen Crowdsourcing oder Intelligenz der Massen diskutiert werden. Das Web 2.0 wird auch oft als Mitmachweb charakterisiert, in dem der Nutzer auch zunehmend als Gestalter aktiv ist, und stellt vor allem Communities ins Zentrum.
Dabei macht man sich als Redaktion z.B. das Fachwissen oder die Ortskenntnis bzw. die aktuelle Ortspräsenz der Bürger zu nutze. Mit Hilfe der heute verfügbaren Technologien wie Fotohandys und (auch mobilem) Internetzugang werden die Laienjournalisten in die Lage versetzt, entsprechend aktiv zu werden.
Verschiedene Zeitungen Blätter wenden unterschiedliche Modelle an, noch ist man klar in einer Versuchsphase. Bekannt geworden sind in letzter Zeit Modelle wie z.B. die Leserreporter beim Blick oder 20 Minuten, wo der Leser eher als Sensationsjournalist agiert. Ein völlig anderes Modell, quasi am anderen Ende des Spektrums, findet man Angebote wie das junge Start Up netzpublik.de.
Denkbar wäre z.B. die Bewohner des Einzugsbereichs einer Zeitung – z.B. Ostschweiz – mit ihrem Know How über lokale Ereignisse in geeigneter Form in den Redaktionsprozess einer regionalen Zeitung einzubeziehen. Verschiedene Modelle wurden bisher in den USA entwickelt, insbesondere für den Schweizer Markt gibt es bisher kaum gesicherte Erkenntnisse und Erfahrungen. Es fehlen sowohl systematische Erhebungen entsprechender Aktivitäten in der Schweiz als auch deren Analyse und Bewertung vor dem Hintergrund der ökonomischen wie auch gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen.
Weitere Informationen zur Ausgangslage findet man auf dem Blog HD’s Two Cents u.a. unter dem Tag Zeitungen. sowie auf der Linksammlung auf delicous.
Zielsetzungen und Forschungsfragen
Die Zielsetzung des Projektes besteht darin, einen Überblick über verschiedene Modelle der Integration des Konzepts Bürgerjournalismus in das Geschäftsmodell einer Zeitung zu erhalten, diese zu bewerten und Empfehlungen für die möglichen Integration in das bestehende Geschäftsmodell „Zeitung“ zu integrieren.
Es stellt sich somit die grundsätzliche Frage:
Wie können Formen des Bürgerjournalismus‘ in das Geschäftsmodell einer Zeitung integriert werden bzw. auf dieser Basis völlig neue Geschäftsmodelle entwickelt werden?
Daraus ergeben sich folgende Fragestellungen:
- Welches sind die aktuellen ökonomischen Rahmenbedingungen der (Tages-) Zeitungen in der Schweiz?
- Welche Ausprägungen des Konzepts des Bürgerjournalismus‘ sind heute bekannt? Wie lassen sie sich kategorisieren? (Schweiz, international)
- Wo stehen die Schweizer (Tages-) Zeitungen bei der Anwendung dieses Konzepts?
- Welche Erkenntnisse gibt es zu den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Konsequenzen bei der Anwendung dieses Konzepts?
- Welche Anpassungen bzw. Weiterentwicklungen des Geschäftsmodells einer Zeitung sind notwendig, um das Konzept Bürgerjournalismus zu integrieren?
Durchführung als wissenschaftliches Praxisprojekt
Das Projekt wird als wissenschaftliches Praxisprojekt (wPP) im Rahmen des Master Studiengangs MSc in Business Administration von einer Gruppe von vier Studierenden unter Leitung und Betreuung eines Coaches (Hans-Dieter Zimmermann) durchgeführt. Als wPP1 und wPP2 durchläuft das Projekt unterschiedliche Phasen im Zeitraum Februar 2010 bis Januar 2011.
Das Ziel der wissenschaftlichen Praxisprojekte ist die Bearbeitung von konkreten unternehmerischen Problemstellungen mit wissenschaftlichen Methoden. Dies erfolgt in enger Einbindung an die Hochschulinstitute und ihre Forschungsvorhaben.
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